Chronik
Erklärung des Ortsnamens
Rohr im Gebirge liegt in einem Gebirgskessel, umschlossen von den letzten größeren dichtbewaldeten Erhebungen des Alpenostrandes: Jochart, Rohrkogel, Unterberg...
Diese Berge liegen in der Zone der steirisch-niederösterreichischen Kalkalpen. Durch das wasserdurchlässige Kalkgestein treten am Fuße der Berge viele Quellen zutage. Der von den Flußschlingen durchzogene Talboden weitet sich seitwärts in geräumigen Terassenflächen aus. In früheren Zeiten waren viele dieser Talwiesen stark versumpft und mit Schilf verwachsen. 1427 "aufm Roer". Daher der Name Rohr (Schilfrohr) im Gebirge (in den Bergen).
Gemeindewappen, Erklärung des Wappens
Wappen: Ein blauer, von silbernen Wolken durchzogener Schild. Auf einer im Schildfuß befindlichen Wolke steht die Gestalt des heiligen Ulrich (Udalrich) im bischöflichen Ornat, mit dunkelblauem Mantel. In der Rechten trägt die Gestalt einen Fisch auf einem Buch; die Linke hält einen auf der Wolke ruhenden Krummstab. Im Hintergrund ist - teilweise von Wolken verdeckt - sowohl rechts als auch links der Turmhelm und das Dach je einer Kirche sichtbar; zwischen diesen Kirchen erheben sich grüne Baumkronen.
Wappenerklärung: Der im Schilde dargestellte heilige Ulrich ist der Kirchenpatron der Pfarre Rohr im Gebirge. Das Siegel wurde auf Grund eines im Jahre 1928 aufgefundenen alten Gemeindesiegels, das die Umschrift trägt: "Gemeind i. Rohr" verliehen. Verleihung: 1929
Die Geschichte von Rohr im Gebirge bis zum Jahre 1945
Die Lage der Gemeinde Rohr im Gebirge im Quellgebiet der Schwarza, ein nur vom Süden her schwer zugänglicher Talfluß, bewirkte, daß erst sehr spät eine Besiedelung erfolgte, über die die Quellen nur sehr wenig berichten. Die Herren von Traisma werden wohl als die ersten urkundlich erwähnten Besitzer des großen Waldgebietes anzunehmen sein. 1194 kam das Gemeindegebiet an das Herzogtum Steyr und lag somit südlich der österreichischen- steirischen Grenze, die talaufwärts entlang der Piesting zum Unterberg und sodann nördlich und westlich von Rohr über Gippel und Göller weiter verlief.
Die Vereinigung der Herzogtümer Österreich unter der Enns und Steiermark brachte mit dem Bau der Burg Gutenstein, 1220 erstmals urkundlich erwähnt, Rohr in den Einfluß der landesfürstlichen Herrschaft Gutenstein; bis zum Jahre 1848 war das Verwaltungs- und Gerichtszentrum für die in Einzelhöfen und Streusiedlungen lebenden Untertanen. Die Bevölkerung von Rohr lebte, besonders seit dem 13. Jahrhundert, von der Holzwirtschaft. Es wurden Holzkohle und viele Holzwaren erzeugt; diese Produkte wurden vor allem auf dem Holzmarkt in Wr. Neustadt abgesetzt. Sie wurden gegen Güter, an denen es in der Ebene nicht mangelte, nämlich Getreide, Salz und Wein getauscht. Die erste schriftliche Erwähnung der Holzverarbeitung erfolgte 1244 in einem Mautbrief.
1427 scheint erstmals die Bezeichnung "auf´m Roer" in schriftlicher Überlieferung auf; zur gleichen Zeit finden wir auch die ersten Hofnamen urkundlich erwähnt. 1428 wurde das Krumbachtal unter einem "Gschaidl" gegen das Halbachtal angeführt. Aber auch der Winsaberg - der Übergang ins Klostertal - schien schon im 15. Jahrhundert auf.
1470 wurde die in Rohr bereits bestehende Kirche zur Pfarre erhoben; diese war hervorgegangen aus der landesfürstlichen Pfarre Schwarzau im Gebirge und war eine grundherrliche Einrichtung. Die Reformation und der Übergang der Herrschaft Gutenstein aus landesfürstlichen Besitz in die Hand verschiedener Adelsgeschlechter brachte im 16. Jahrhundert auch die neue Lehre in den Ort. So wird berichtet, daß die Kirche verwaist und einem protestantischen Prediger unterworfen sei, den Graf Sigismund von Herberstein angestellt habe. 1569 wurde wieder ein katholischer Priester, vermutlich der Pfarrer von Schwarzau, eingesetzt, jedoch die Pfarre erst 1622 wiedererrichtet.
Das im gleichen Jahr 1569 angelegte Urbar der Herrschaft Gutenstein verzeichnet im Amt Rohr 35 Gehöft- und Siedlungsnamen, wobei der Ort Rohr mit 26 Hofstätten ein lokales Zentrum bildete. 1595 erhält die Herrschaft Gutenstein in der Familie der Freiherrn von Hoyos einen neuen Inhaber. Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts nahm die Holzgewinnung einen ungeheuren Aufschwung. Hinzu kam eine blühende Eisenverarbeitung, die Holzkohle und Wasserkraft nutzte. Durch mündliche Überlieferung weiß man, daß im Süden des Ortes (heute Lichtwerk Johann Wieser) ein kleiner Hammer pochte. Auch die Lohgewinnung war von großer Bedeutung, ebenso die Kalkbrennerei.
Das 1597 aufgezeichnete Banntaiding, eine schriftliche Zusammenfassung über die Rechte, Pflichten und Dienste der Bewohner von Rohr und Schwarzau, gibt einen guten Einblick in das Leben der Bewohner des Amtes; so war jedes Jahr zu Philippi und Jakobi ein Gerichtstag abzuhalten. Ferner sollten die Leute von Rohr mautfrei aus der “Neustadt†Lebensmittel herführen können. Das verbindliche Getreidemaß war der Neustädter Metzen. Für ihre Holzwaren mußten die Bauern zu Piesting und Rohr keine Maut zahlen. Das 1629 angelegte Grundbuch erwähnt erstmalig einen gewissen Grieshofer als Amtmann.
1716 wurde das Kirchengebäude, das den heiligen Ulrich zu seinem Schutzpatron hat, vergrößert und 1761 mit einem Zwiebelturm versehen. Die allmähliche Zunahme der Bevölkerung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts führte zur Errichtung einer Schule, die im Anwesen des Bauern Wieser ihre erste Unterkunft hatte und in der eine "Schulmeisterin" namens Anna Winter unterrichtete. 1782 wurde ein eigenes Schulhaus erbaut.
Das Jahr 1848 brachte das Ende der grundherrlichen Obrigkeit über die Gemeinde, beziehungsweise deren Bewohner. Florian Sommer war der erste frei gewählte Bürgermeister der nunmehrigen Ortsgemeinde Rohr im Gebirge. Aufgabe dieser neuen Gemeinde war es nun, die Infrastruktur des Gemeinwesens zu verbessern. 1877 wurde das Postamt Rohr eröffnet und eine Personenbeförderung mittels einer Postkutsche nach Gutenstein ermöglicht. Mit der Erbauung der Eisenbahnlinie Leobersdorf-Gutenstein, 1877, vollzog sich eine Verlagerung des Personen- und Wirtschaftsverkehrs in Richtung Piestingtal. Der Aus- bzw. Neubau der Straße von Gutenstein über den Rohrer Sattel und weiter von Rohr über den Ochsattel in das Traisental, 1884 bis 1894, beendete die Weltabgeschiedenheit der Gemeinde. Zusätzlich wurde 1910 eine Verkehrsverbindung Gutenstein-Rohr über die Haselrast geschaffen. In den Jahren 1878/79 wurde die alte Kirche abgerissen und in der heutigen Form neu erbaut. 1886 bis 1888 wurde ein neues Schulhaus errichtet.
Neuerlich große Änderungen im Wirtschafts- und Sozialgefüge der Gemeinde gab es in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen; Arbeitslosigkeit und Geldentwertung zeigten auch in Rohr ihre Wirkung. Absiedlung, Verödung von Bauernhöfen und Rückgang der kommunalen Leistungen waren die Folge. Die Einrichtung einer regelmäßigen Autobusverbindung Gutenstein-Mariazell brachte viele Besucher und den Beginn des Fremdenverkehrs.
Die Geschichte seit 1945
Nach schweren Gefechten an der Gemeindegrenze zu Gutenstein zwischen dem 23. April und 7. Mai 1945 wurde Rohr am 8. Mai von russischen Truppen besetzt. Insgesamt waren vier Tote unter den Gemeindebewohnern zu beklagen. In der ersten Gemeinderatssitzung Ende Mai wurde durch Angehörige des letzten Gemeinderates vom Jahre 1938 der Bürgermeister eingesetzt.
Die wichtigsten Veränderungen unseres Ortes seit Kriegsende sollen aufgezeigt werden: In den Jahren 1950-1962 wurde unsere Pfarrkirche vollständig renoviert. Im Sommer 1950 wurde die Volksschule mit einer Wasserleitung versehen. In der Zeit von 1954-1956 wurde die Gutensteiner Bundesstraße umgebaut. Sie ist die südlichste Ost-West-Verbindung Niederösterreichs. In den Jahren 1957, 1958 und 1959 wurde dieser Umbau mit der Ortsumfahrung fortgesetzt.
Im Frühjahr 1964 wurde das neue Gemeindeamt und die Garagen für Feuerwehr und Rettung fertiggestellt. 1965 wurde mit der Elektrifizierung des Gemeindegebietes durch die NEWAG begonnen und 1966 fertiggestellt. Im selben Jahr wurde mit dem Ausbau der B 21 über den Rohrer Berg begonnen. 1968 begann der Schulumbau, im August fand die Einweihung des Musikerheimes statt.
Im September 1983 nahm der Kindergarten seinen Betrieb auf. Der alte Pfarrstadel wurde von der Gemeinde erworben und als "Dorfstadel" vom Rohrer Dorfernerungsverein und zahlreichen Freiwilligen als Veranstaltungshalle im urigen Stil ausgebaut. Das neue Musikerheim wurde nach zwei Jahren Bauzeit im Jahr 2000 feierlich eröffnet.
In den letzten drei Jahrzehnten vollzogen sich auch in unserem Dorf neben den erwähnten Bautätigkeiten wesentliche Veränderungen, die durch das starke Wirtschaftswachstum und durch den großen Fleiß der Bewohner unseres Ortes ermöglicht wurden. Die Verdienstmöglichkeiten, an denen viele Jahrhunderte festgehalten wurden, mußten durch die moderne Technik endgültig aufgegeben und andere Erwerbsquellen gefunden werden.
Die Bewohner versuchten, sich dieser neuen Situation anzupassen und ihr Leben danach einzurichten. Die Bauern mußten ihre noch bestehenden holzverarbeitenden Nebengewerbe aufgeben, die durch die fortschreitende Industrialisierung unrentabel geworden waren: Die einst erträgliche Lohgewinnung ist den Bauern verlorengegangen (Gerbung mit ausländischem Extrakt).
An Stelle der Kalkbrennerei traten Großunternehmen in Industriegebieten. Die Leistungen der Sägewerke wurden bedeutend erhöht und wirtschaftlicher. Vielen Bauern waren die nötigen Modernisierungen ihrer Betriebe zu kostspielig, sodaß sie diese Nebenerwerbszweige aufgaben. Durch den Einsatz von Maschinen werden, vor allem in den bäuerlichen Betrieben, viel weniger Arbeitskräfte gebraucht als in den vergangenen Zeiten. Die Bauernhöfe entwickelten sich allmählich zu reinen Familienbetrieben. Sie spezialisierten sich auf Viehzucht (Rinderhaltung) und Milchwirtschaft und versuchten in der Fremdenverkehrswirtschaft eine neue Einnahmequelle zu finden. Der Ausbau zu einem zeitgemäßen Erholungsort mit den erforderlichen Einrichtungen, z. B. Schiliften, wurde seitens der Gemeinde vorrangetrieben. Viele Bewohner von Rohr, für die sich keine Existenzgrundlage bietet, sind gezwungen, in benachbarten Orten eine Beschäftigung zu finden.
Einrichtungen in der Gemeinde
allgemeine: Gemeindeamt, Standesamt, Bank, Volksschule, Kindergarten, Pfarrkirche zum hl. Ulrich, Wallfahrtskapelle am Unterberg "Maria im Thier", Postbusverbindung nach Payerbach.
besondere: Tennisanlage, Fußballplatz, Beachvolleyballplatz, Kinderspielplatz, Reitparcours, Tontaubenwurfanlage, 50 km markierte Wanderwege, Kneippwanderweg mit Fitneßparcours, Themenwege, Campingplatz, Asphalt- bzw. Eisstockbahn, 3 Schischlepplifte, Panorama - Langlaufloipe, Schischule, "Via Sacra" (Mariazeller Wallfahrtsweg), Biedermeierradwanderweg.
Verfasser: Gemeinde Rohr im Gebirge, Anna Hektor, Rohr im Gebirge